Ab 18. Februar können die EU-Staaten offiziell ihre Anträge samt detaillierter Ausgabenpläne zum EU-Aufbaufonds (Aufbau- und Resilienzfaszilität, auf Englisch Recovery and Resilience Facility) bei der EU-Kommission einreichen. Die Frist läuft bis mindestens 30. April. Mit dem Corona-Aufbaufonds zeigt die EU, dass sie es ernst meint. Das Gesamtpaket „NextGenerationEU“ wird zusammen mit dem langfristigen EU-Haushalt das größte Konjunkturpaket sein, das es in Europa je gab. Insgesamt werden 1,8 Billionen Euro in den Wiederaufbau nach der Coronakrise fließen und Europa gestalten: grüner und digitaler.
In der Grundarchitektur des Pakets fehlte allerdings die Geschlechterperspektive - obwohl die Hälfte der Bevölkerung, die Frauen, in der Krise bei geschlossenen Kitas und Schulen den Großteil der unbezahlten Arbeit leistet, aus dem Arbeitsmarkt verdrängt wird und gegen einen Rollback der Geschlechterrollen kämpft. In Italien, dem größten Empfängerland des Konjunkturpakets, sind 70 Prozent der Menschen, die in der Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben, Frauen. In anderen Ländern ist die Situation ähnlich. Doch das Konjunkturpaket investiert mehrheitlich in Branchen, in denen vor allem Männer arbeiten. Das belegt die Studie "Gender Budgeting im post Corona EU-Aufbaufonds" (Klatzer/Rinaldi: https://alexandrageese.eu/wp-content/uploads/2020/07/Gender-Impact-Assessment-NextGenerationEU_Klatzer_Rinaldi_2020.pdf) auch für Deutschland. Sie zeigt, welche Branchen in Deutschland vorrangig von Corona betroffen sind und welche durch den Aufbaufonds gefördert werden: Die frauendominierten Branchen trifft die Coronakrise besonders hart, doch der EU-Aufbaufonds fokussiert auch in Deutschland vorrangig männerdominierte Branchen.
Deshalb ist Gender Budgeting in der Ausgabenplanung und Umsetzung jetzt unerlässlich; die Europäische Kommission hat mit den Leitlinien für die nationalen Pläne Anfang diesen Jahres nachgesteuert und Geschlechtergerechtigkeit in allen Prioritäten verankert. Und vor dem Hintergrund der Coronakrise wurde auch der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) der EU noch einmal neu verhandelt – mit dem Ergebnis, dass Gender Budgeting und Gleichstellungs-Checks jetzt dort enthalten sind. Das muss nun umgesetzt werden und sich auf die Verteilung von Fördermitteln auf nationaler Ebene auswirken.
Die Gleichstellung der Geschlechter, die von Beginn an in den Europäischen Verträgen und Grundrechten verankert waren, muss endlich in den Entscheidungen über Finanzen und Fördermittel berücksichtigt werden! So fordern es die aktualisierten Leitlinien der Europäischen Kommission für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Konjunktur- und Resilienzplans: https://ec.europa.eu/info/files/guidance-member-states-recovery-and-resilience-plans_en
Das sind wichtige Impulse für geschlechergerechte Haushalte in Kommunen, Ländern und auf Bundesebene.
Der DGB fordert ein solidarisches, nachhaltiges und geschlechtergerechtes Wirtschaftsaufbauprogramm. Er begrüßt das wirtschaftliche Aufbauprogramm und dessen Einbindung in den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027, fordert aber sowohl die Geschlechterperspektive ein als auch die Umsetzung eines Gender Budgeting und die Einbindung der EU-Gleichstellungsstrategie:
(…) Darüber hinaus kritisieren wir die fehlende Geschlechterperspektive beim EU Maßnahmenpaket „Next Generation EU“. Der DGB setzt sich dafür ein, dass bei der Haushaltsplanung das Prinzip des „gender budgeting“ umgesetzt wird. Zumindest sollte von der Kommission evaluiert werden, in welchem Maße die Geschlechter von den EU-Hilfsgeldern profitieren. Zudem bedauert der DGB, dass die Kommission nicht klarstellt, wie die EU-Gleichstellungsstrategie im Sinne des Gender Mainstreaming in das Maßnahmenpaket eingebunden wird. (https://www.dgb.de/-/WhM)
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