Von Frank Meissner
Um Menschen eine gute Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen, ist eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt wichtig. Das gilt für Flüchtlinge, wie auch für die schon seit längerem in Deutschland ansässigen Migranten/innen. Ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt weist jedoch nach wie vor große Unterschiede auf. Um Müttern mit Migrationshintergrund den Erwerbseinstieg zu erleichtern, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend das Projekt „Stark im Beruf“ auf den Weg gebracht.
Flickr.com - CC BY-SA 2.0 (Quinn Dombrowski)
Die aktuelle Analyse der „Arbeitsmarktintegration von Migranten und Migrantinnen in Deutschland“ von Jutta Höhne und Karin Schulze Buschoff vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung zeigt deutlich: Trotz rechtlicher Verbesserungen kann längst noch nicht von einer gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsmarkt die Rede sein. So ist die Arbeitslosigkeit unter den Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund mit neun Prozent (Frauen) bzw. zehn Prozent (Männer) doppelt so hoch wie bei den Beschäftigten ohne Migrationshintergrund. Im Jahr 2013 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Deutschland 16,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Ein Drittel von ihnen ist in Deutschland geboren und zählt zur zweiten Generation.
Ob die Arbeitsmarktintegration gelingt, hängt wesentlich von der Staatsbürgerschaft und dem Aufenthaltsstatus ab. Aussiedler, EU-Bürger und Ausländer mit unbeschränkter Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit haben es leichter einen Job zu finden und eine mittel- und langfristige Perspektive zu entwickeln. Bezogen auf Menschen im erwerbsfähigen Alter stellen Aussiedler (2,2 Mio.), Türken/innen (1,6 Mio.) und Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien (0,9 Mio.) die größten Gruppen. Während Migranten/innen aus der EU und vielen Drittstaaten oft höher qualifiziert sind als der Durschnitt der Bundesbürger, sind bei den ehemaligen „Gastarbeitern“ überproportional viele Geringqualifizierte zu finden.
Migranten/innen sind generell stärker von (unfreiwilliger) Teilzeit, befristeter Beschäftigung und Leiharbeit betroffen als Nichtmigranten/ innen. Darüber hinaus sind Sprachkompetenzen, landesspezifische Kenntnisse und Kontakte zu Einheimischen wichtige Faktoren, die eine Integration in die Arbeitswelt erleichtern. So ist es zum Beispiel hilfreich zu wissen, wie ein Bewerbungsverfahren verläuft und worauf es dabei ankommt. Auch die Nichtanerkennung von Bildungsabschlüssen und Berufserfahrungen trägt dazu bei, dass Migranten/innen in ihren Jobs viel häufiger überqualifiziert sind als Einheimische. Weiter sind Migranten/innen alltäglichen Diskriminierungen ausgesetzt, die eine gleichberechtigte Teilhabe erschweren. Die Bertelsmann-Stiftung hat 2014 festgestellt, dass 60 Prozent der Ausbildungsbetriebe in Deutschland keine Auszubildenden mit Migrationshintergrund eingestellt haben. Vermeintliche Sprachschwierigkeiten und kulturelle Unterschiede wurden dabei als Gründe angeführt.
Insbesondere für Migranten/innen aus der Türkei und Drittstaaten besteht also dringender Handlungsbedarf. Eine weitere Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs, Förderung von Anpassungsqualifizierung, Maßnahmen gegen Diskriminierung am Arbeitsmarkt und bei Einstellungsverfahren können dazu beitragen, die Situation von Migranten/innen zu verbessern. Auch Betriebs- und Personalräte können in Betrieben und Verwalten viel zu Verbesserung ihrer Situation beitragen. Eine Sensibilisierung von Interessenvertretungen für die besonderen Belange von Migranten/innen etwas beim Thema anonymisierte Bewerbungen sind ein wichtiger Schritte dahin.
Das Familienministerium hat in einem 2014 gestarteten Projekt vor allem Mütter mit Migrationshintergrund in den Fokus genommen. Das ESF-finanzierte Projekt „Stark im Beruf – Mütter mit Migrationshintergrund steigen ein“ zielt darauf ab, den Erwerbseinstieg für Mütter mit Migrationshintergrund zu erleichtern und den Zugang zu vorhandenen Angeboten zur Arbeitsmarktintegration zu verbessern. Damit sollen Mütter mit Migrationshintergrund bessere Chancen erhalten, entsprechend ihren Qualifikationen und höherem Zeitumfang zu arbeiten. Bis Ende 2018 sollen bundesweit knapp 90 Projekte finanziert werden, die vor Ort Unterstützung anbieten. Im Mittelpunkt stehen hierbei die Beratung und Information von Müttern zu arbeitsmarktrelevanten Fragen und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Begleitung des (Wieder-)Einstiegs der Frauen in die Erwerbsarbeit sowie die Vernetzung mit regionalen Kooperationspartnern. Das Projekt arbeitet eng mit lokalen Institutionen wie Arbeitsagenturen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Träger von Integrationskursen, Migrantenselbstorganisationen, kommunalen Gleichstellungsbeauftragten und Unternehmen zusammen. Auch der DGB ist im Begleitgremium vertreten und unterstützt das Projekt bei der Umsetzung der Maßnahmen.
Quelle: Jutta Höhne, Karin Schulze Buschoff (2015): Die Arbeitsmarktintegration von Migranten und Migrantinnen in Deutschland. Ein Überblick nach Herkunftsländern und Generationen, in: WSI-Mitteilungen, Heft 5/2015, S. 345-354.
Dr. Frank Meissner leitet das Projekt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten!“ beim DGB-Bundesvorstand.
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