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Der DGB fordert, die Arbeit im Privathaushalt (also Dienstleistungen wie Reinigung der Wohnung oder Pflege- und Betreuungsleistungen) besser zu regulieren. Derzeit sind viele Beschäftigte, die Dienstleistungen im Privathaushalt anbieten, illegal bzw. undokumentiert angestellt. Sie sollen bessere Arbeitsbedinungen bekommen. Gleichzeitig sollen Privathaushalte entlastet und so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Menschen erleichtert werden. Ein Gutscheinmodell, bei dem der Staat die Bezahlung der Beschäftigten in Privathaushalten bezuschusst, könnte Rahmenbedingungen für gute Arbeit im Privathaushalt schaffen.
Worum geht es bei der Debatte um bessere Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Privathaushalt? Und wie sieht der Lösungsansatz aus, den der DGB vorschlägt?
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist in den letzten Jahren zwar gestiegen, jedoch beruht dieser Anstieg v.a. auf der Zunahme von Teilzeitbeschäftigung: knapp die Hälfte (48%) aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen arbeitet in Teilzeit(Stand: Juni 2018; Statistik der BA). Bei den Männern sind es nur 11% (ebd.). Als häufigster Grund für die Teilzeittätigkeit wird die Doppelbelastung von Beruf und Familie angegeben. Frauen übernehmen noch immer den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit: im Schnitt arbeiten sie pro Tag rund 90 Minuten – ein ganzes Fußballspiel! – länger für Familie und Haushalt als Männer.
Um das Fachkräftepotenzial von Frauen besser zu erschließen und dadurch die Erwerbsbeteiligung von Frauen signifikant zu erhöhen, müssen Anreize geschaffen werden, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern. Dies gelingt nur, wenn Frauen und Familien von Aufgaben im häuslichen Bereich spürbar entlastet werden – beispielsweise durch finanzielle Zuschüsse, wenn haushaltsnahe Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, d.h. wenn z.B. eine Reinigungskraft beschäftigt wird.
Gleichzeitig können in Privathaushalten gute Arbeitsplätze entstehen. Im Jahr 2013 hat sich Deutschland durch die Ratifizierung der ILO-Konvention 189 dazu verpflichtet, die Beschäftigung im Privathaushalt so zu regulieren, dass gute Arbeit gewährleistet wird. Voraussetzungen für gute Arbeit sind u.a. faire Entlohnung und sichere Arbeitsbedingungen. Durch die Regulierung würden neue Beschäftigungsmöglichkeiten auf allen Qualifikationsebenen entstehen mit guten Einstiegsmöglichkeiten für Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose oder Personen ohne anerkannte Qualifikationen.
Mit haushaltsnahen Dienstleistungen sind laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) „alle Tätigkeiten, die gewöhnlich von Haushaltsmitgliedern (...) erbracht werden können, Entlastung im familiären Alltag des Privathaushaltes schaffen und von Außenstehenden gegen Entgelt im und für den privaten Haushalt erbracht werden“ gemeint. Dies umfasst u.a.:
Nicht eingeschlossen sind laut Definition des BMFSFJ pädagogische und medizinische Leistungen sowie spezialisierte Handwerksleistungen.
Derzeit nehmen – geschätzt – mehr als 3,8 Mio. Haushalte unterstützende Dienstleistungen in Anspruch. Die aktuelle Statistik weist jedoch nur rund 49.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und ca. 300.000 Minijobber_innen in Privathaushalten aus (90 Prozent der angemeldeten Minijobber_innen im Privathaushalt sind weiblich). Davon üben 87,6 Prozent den Minijob als einzige Beschäftigung aus.
Kurz: der Anteil der undokumentierten Arbeit ist extrem hoch. Die meisten Arbeitsverhältnisse in privaten Haushalten sind prekär, die soziale Absicherung gering und die monatlichen Einkommen meist nicht existenzsichernd. Durch den hohen Anteil undokumentierter Arbeit im Privathaushalt bleiben zudem große Summen an Steuer- und Beitragseinnahmen der sozialen Sicherungssysteme aus. Es muss also darum gehen, Angebot und Nachfrage zu stabilisieren, Anreize für die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Privathaushalt zu schaffen und die Arbeit in Privathaushalten gesellschaftlich anzuerkennen, aufzuwerten und als gleichwertigen Beschäftugungs- und Dienstleistungszweig auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren.
Laut einer aktuellen FORSA-Studie haben 50 Prozent aller Haushalte Interesse an unterstützenden Dienstleistungen. Realistisch angenommen werden rund 10 Prozent der Haushalte tatsächlich zeitnah auf haushaltsnahe Dienstleistungen zurückgreifen. Das entspricht rund 4 Mio. Haushalten mit einem Bedarf an jeweils 416 Dienstleistungsstunden pro Jahr, was insgesamt rund 260.000 Vollzeitbeschäftigten entspricht.
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Die Dienstleistungsstunde im Privathaushalt in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung kostet aktuell 25 bis 30 Euro. Dieser Stundensatz kann von vielen Haushalten nicht aufgebracht werden, ist aber Voraussetzung für eine angemessene und existenzsichernde Entlohnung der Beschäftigten, die haushaltsnahe Dienstleistungen erbringen.
Dagegen beträgt der aktuelle Preis für eine Dienstleistungsstunde in undokumentierter Arbeit je nach Region zwischen 12 und 15 Euro. Das entspricht der Höhe, die Haushalte bereit sind, als Eigenanteil zu zahlen.
Der DGB schlägt vor, dass der Staat die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen durch ein Gutscheinmodell mit 12 Euro pro Stunde bezuschusst. Dadurch wird die Anzahl der Haushalte, die sich diese Entlastung leisten können, vergrößert. Außerdem können so mehrere hunderttausend sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen.
Eine Voraussetzung für diese legale Beschäftigung ist, dass es überhaupt genug Dienstleistungsagenturen gibt, die die Leistungen anbieten. Für die Schaffung einer Betriebs- und Infrastruktur sollte es eine befristete Förderung für die Gründung von Dienstleistungsagenturen geben.
Hinzu kommt, dass tarifliche Bezahlung und die Einhaltung der Standards des Arbeits- und Arbeitsschutzrechts genau wie die Qualitätssicherung durch gute Aus- und Weiterbildung gewährleistet sein müssen. Das Ziel muss es sein, ausschließlich sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Arbeit zu fördern. Eine Neuordnung des Ausbildungsberufs „Hauswirtschafter_in“ ermöglicht einen vollwertigen Berufsabschluss mit neuen Perspektiven und Aufstiegschancen.
Das Gutscheinmodell für Privathaushalte kann undokumentierte und illegale Arbeit massiv zurückdrängen und den Beschäftigten attraktivere Arbeitsbedingungen bieten, wenn es durch Anreize zur Aufnahme von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung für Haushaltshilfen ergänzt wird. Gleichzeitig wäre es ein Schritt zu mehr Gleichstellung durch die Entlastung von Privathaushalten sowie die Verbesserung der Erwerbsbeteiligung und der beruflichen Chancen von Frauen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf würde gefördert und das System der Sozialversicherung nachhaltig gestärkt. Letztlich stellt das Gutscheinmodell somit auch einen Baustein für mehr Einkommensgerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und zur Schließung des Gender Pay Gaps dar.
Der DGB hat 2020 seine Beschlusslage zum „Arbeitsplatz Privathaushalt“ von 2016 weiterentwickelt. Mit seinen Forderungen knüpft der DGB an die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag von 2018 an, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und begrüßt ausdrücklich, dass das Thema von den Regierungsparteien und auch im Zukunftsdialog des BMAS aufgegriffen wurde.
Dienstleistungen im Haushalt werden oft in Schwarzarbeit oder prekär erledigt. Mit der Regulierung dieser Beschäftigung erschließen sich vielfältige Potenziale, wie z.B. die Entstehung sozialversicherter Arbeitsplätze in Privathaushalten oder die Verbesserung der Gleichstellung von Männern und Frauen. Das ist nicht umsonst zu haben, sondern erfordert umfangreiche Subventionen. Wir haben nachgerechnet.