Von Britta Jagusch
Vom 19. bis 21. April 2015 legten die Delegierten auf der 20. Frauenkonferenz der IG Metall in Willingen ihre Strategie für die Zukunft fest. Unter dem Motto „Wer die Besten will, kann auf Frauen nicht verzichten“ standen bei den mehr als 300 IG Metall-Frauen die Themen Gleichstellung, Entgeltgerechtigkeit und Vereinbarkeit im Mittelpunkt.
Neben den Kernthemen Arbeitszeit, Frauenentgelte und Vereinbarkeit von Arbeit und Leben, die im Fokus der über 40 Anträge und Debatten standen, wurde auf der 20. IG Metall Frauenkonferenz über Themen, wie Industrie 4.0, das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und die Forderung nach einer humaneren Flüchtlingspolitik diskutiert. In ihrem mündlichen Geschäftsbericht bedankte sich Christiane Benner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, für das Engagement der Frauen und blickte auf Errungenschaften in der Frauenpolitik zurück.
Als großen Erfolg wertete Benner die steigenden Mitgliederzahlen unter den Frauen in der IG Metall: „Ende März 2015 waren 401 233 Frauen Mitglied der IG Metall. Das sind über 5000 Frauen mehr als 2011.“ Mehr Frauen in der IG Metall - das bedeutete auch, dass die Themen von Frauen in den Unternehmen präsenter werden, so Benner. In den Betrieben müsse endlich umgesetzt werden, was im Gesetz oder in den Tarifverträgen steht. Eine Reihe positiver Beispiele gebe es bereits. Benner verwies auf die Initiative „Auf geht's - Faires Entgelt für Frauen“, in der Betriebsräte und Betriebsrätinnen die Entgeltstruktur analysieren und Handlungsmöglichkeiten erarbeiten, um die Entgeltlücke zu minimieren.
Darüber hinaus seien die Metallerinnen schon lagen für eine bessere Vereinbarkeit aktiv. Der Fragebogen „Klimaindex Vereinbarkeit“ sei dafür genau das richtige Instrument und unterstützte dabei, die tatsächliche Situation in den Unternehmen zu untersuchen. Auch die beruflichen Entwicklungsperspektiven für Frauen nahm Christiane Benner in den Blick. Gezielte Qualifizierung sei zukünftig wichtiger denn je. Meisterinnenkurse und Qualifizierungsangebote für an- und ungelernte Beschäftigte und kaufmännische Angestellte seien eine gute Möglichkeit, Beschäftigung für Frauen zu sichern und Entwicklungsperspektiven zu bieten.
Beim Kernthema Arbeitszeit und wie sie in Zukunft gestaltet werden soll, sprachen sich die Delegierten für Arbeitszeiten aus, die die verschiedenen Lebensphasen der Beschäftigten berücksichtigen. Vereinbarkeit sei die Basis für gute Arbeit, so Benner. Es sollte zur Normalität werden, dass sich beide Elternteile um die Kinder kümmern oder einen Angehörigen pflegen. Deshalb seien neue Arbeitszeitmodelle gefragt, die jederzeit an die jeweilige Lebensphase von Männern und Frauen verkürzt und angepasst werden könnten.
Konkret sollen Auszeiten oder Teilzeitarbeit wegen Kindererziehung und der Pflege von Angehörigen besser berücksichtigt werden und sich nicht nachteilig auf die Beschäftigungs- und Aufstiegschancen auswirken. Die Metallerinnen unterstützten die von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig vorgeschlagene Familienarbeitszeit. Ein gleichnamiges Gesetz soll auf der Grundlage des Elterngeld-Plus, das ab 1. Juli 2015 gilt, erarbeitet werden. Zudem soll der Gesetzgeber Arbeitnehmer/innen bei verkürzter Vollzeit finanziell absichern.
Das Modell der lebensphasenorientierten Arbeitszeit soll auch die Möglichkeiten verbessern, sich ehrenamtlich zu engagieren, selbst zu verwirklichen und zu qualifizieren. Detlef Wetzel, Erster Vorsitzende der IG Metall, versprach, das Thema auf die tarifpolitische Agenda zu setzen. „Wir werden alles daran setzen, das Thema Vereinbarkeit in unseren Tarifverhandlungen zu verankern.“
Gerade auch die Notwendigkeit der Weiterbildung werde in Zukunft immer wichtiger - angesichts von fortschreitender Digitalisierung in der Produktion und der Verwaltung. Daher sollen betriebliche Qualifizierungsmaßnahmen zukünftig so angelegt werden, dass auch Beschäftigte in Teilzeit teilnehmen können, ebenso wie Arbeitnehmerinnen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, so Wetzel. Qualifizierte Fachkräfte sind angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt notwendiger denn je. Vor diesem Hintergrund sei es kaum zu verstehen, dass viele Frauen häufig nicht entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt werden. Besonders trifft das diejenigen, die wegen Fürsorgearbeiten ihre Beschäftigung unterbrechen müssen oder Teilzeit arbeiten. Fast 30 Prozent der weiblichen Beschäftigten arbeiten in Jobs unterhalb ihrer Qualifikation, so ein Ergebnis der Beschäftigtenbefragung der IG Metall.
Auch das Thema Entgeltgerechtigkeit stand auf der Agenda der Konferenz. Es ist „ein Skandal, dass wir es im Jahr 2015 immer noch mit Diskriminierung beim Entgelt zu tun haben“, erklärte Wetzel und forderte, dass das versprochene Entgeltgleichheitsgesetz endlich kommt. Es ist ein Erfolg, wenn immer mehr Betriebsräte in den Unternehmen einen Gleichstellungsbericht fordern und darüber Transparenz über die tatsächliche Eingruppierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hergestellt wird. Doch Transparenz ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu tatsächlicher Entgeltgerechtigkeit. Deshalb wollen die IG Metall-Frauen die Initiative der IG Metall „Auf geht's - Faires Entgelt für Frauen“ fortsetzen.
Zu Beginn der Konferenz hatte Gastrednerin Zehra Kahn, Generalsekretärin der Gewerkschaft für Heimarbeiterinnen Pakistans, der Homebased Women Workers Federation (HBWWF), über die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Textindustrie in Pakistan, in der überwiegend Frauen arbeiten, berichtet. „Die Löhne sind sehr niedrig, ein Arbeitstag hat 12 bis 14 Stunden, die Frauen sind nicht kranken- und rentenversichert und Bestimmungen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheitsvorschriften werden meist ignoriert.“ Zehra Kahn warb für internationale Hilfe und Solidarität.
Dass die Situation nicht nur in Pakistan so verheerend ist, zeigen andere Beispiele, wie der Zusammensturz der Textilfabrik Rana Plaza in Dahka, der Hauptstadt von Bangladesch mit über 1000 Todesopfern. Auch hier fordert die IG Metall zusammen mit den internationalen Gewerkschaftsbünden wie IndustriAll Global und der Kampagne für Saubere Kleidung eine faire Entschädigung der Unglücksopfer. Auf der Konferenz wurde nochmal deutlich: Weltweit brauchen Textilbeschäftigte höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine anerkannte gewerkschaftliche Vertretung. Nötig sind aber auch ein verschärftes Haftungsrecht, das deutsche Unternehmen im Ausland auf Arbeitssicherheit und bessere Arbeitsbedingungen verpflichtet.
Dieser Artikel ist Teil des Infobriefs "frau geht vor" der DGB Frauen.